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Unternehmenssteuerung verbessern: Mitarbeiterleistung unverzerrt beurteilen (12/2020)

Dr. Kai A. Bauch und Prof. Dr. Barbara E. Weißenberger

Executive Summary

Eines der zentralen Steuerungselemente, die Unternehmen zur Beeinflussung des Verhaltens ihrer Mitarbeiter nutzen, ist die Beurteilung und daran anknüpfend die Belohnung erbrachter Leistungen. Häufig können aber nicht alle Aspekte der Mitarbeiterleistung objektiv gemessen werden, so dass Vorgesetzte auf subjektive Bewertungsformen zurückgreifen müssen. Sehr häufig treten dabei bewusste und unbewusste Verzerrungen auf, die die gewünschte Wirkung der Leistungsbeurteilung konterkarieren: Schlechtleistungen werden zu positiv, gute Leistungen dagegen zu ungünstig beurteilt. Deshalb benötigen Vorgesetzte Hilfestellungen für die möglichst unverzerrte subjektive Leistungsbeurteilung. Wirksame Instrumente sind dabei unter anderem die visuelle Aufbereitung von Informationen, weiche Steuerungsmechanismen wie z. B. Schulungen und Feedback, aber auch eine Begründungspflicht.

Unternehmen verwenden eine Vielzahl von Steuerungs- mechanismen um sicherzustellen, dass Mitarbeiter die ihnen übertragenen Aufgaben möglichst zielführend im Sinne der Unternehmensstrategie umsetzen. Zu diesen Mechanismen gehören formale Instrumente wie Budgets, Prozessanweisungen oder Verhaltenskodizes, aber auch informelle Gestaltungsfaktoren des kulturellen Umfeldes wie etwa Fairness oder Vertrauen. Ein ganz zentrales Element der formalen Steuerung ist die Bewertung und Vergütung der Mitarbeiterleistung: Zum einen, weil auf diese Weise Anreize für das gewünschte Verhalten gesetzt werden sollen, aber auch zum Erreichen einer besseren Verhaltenskoordination, wenn die Mitarbeiter auf diesem Wege auf die relevanten Ziele ihrer Aufgaben hingewiesen werden.

Allerdings können nicht alle Dimensionen der Leistung von Mitarbeitern objektiv gemessen werden. So fehlt in vielen Fällen schlicht die Möglichkeit, eindeutig und zweifelsfrei zu überprüfen, wie gut ein Mitarbeiter gearbeitet hat: Weil der Arbeitseinsatz als solcher nur schwer beurteilt werden kann (zum Beispiel Führungsstil oder Kreativität) oder das Leistungsergebnis vor allem durch weiche, also qualitative Merkmale gekennzeichnet ist (zum Beispiel Kundenzufriedenheit). Erschwerend kommt hinzu, dass selbst bei Vorhandensein quantitativer Leistungskriterien (zum Beispiel Umsatz oder Budgetüberschreitung) diese in aller Regel einer Vielzahl von nicht kontrollierba- ren Zufallseinflüssen unterliegen.

Um diese Probleme aufzufangen, werden in der Praxis häufig subjektive Leistungsbewertungen eingesetzt. Konk

ret bedeutet das: Vorgesetzte können im Beurteilungsprozess der Mitarbeiter vorliegende Bewertungsergebnisse individuell nach eigener Einschätzung anpassen, indem sie

  • gewisse Bereiche der Leistung komplett subjektiv bewerten oder sogar von der Bewertung ausnehmen,

  • vorliegende Leistungskennzahlen in ihrer Bedeutung subjektiv gewichten, oder

  • objektive Kennzahlen sowie deren Zielwerte subjektiv anpassen.

Nachteile subjektiver Leistungsbeurteilung

Obwohl der Einsatz von subjektiven Bewertungen helfen kann, die genannten Schwierigkeiten bei einer an sich angestrebten objektiven Bewertung aufzufangen, können sich dennoch unerwünschte Effekte einstellen. So zeigt sich in Forschung und Praxis, dass es im Prozess der Bewertung auf Seiten des Vorgesetzten zu bewussten, aber auch unbewussten systematischen Verzerrungen (Biases) in der Leistungsbeurteilung kommen kann. So wird beispielsweise häufig in der Beurteilung übermäßig viel Gewicht auf Leistungen gelegt, die mit finanziellen Kennzahlen gemessen werden, während nicht-finanzielle Kennzahlen nur unzureichend beachtet werden. Außerdem scheuen Vorgesetzte vielfach die Konfrontation mit ihren Mitarbeitern und beurteilen daher im Durchschnitt zu positiv und zu undifferenziert (Leniency and Compression Bias). Speziell Mitarbeiter, die ihren Vorgesetzten ähnlich oder besonders sympathisch sind, werden häufig inadä- quat positiv bewertet.

Die Folge: Leistungsbewertungen entfalten nicht mehr die gewünschten Anreiz- und Koordinationswirkungen. Zudem können sie auch dazu führen, dass Mitarbeiter den Prozess der Leistungsbeurteilung bzw. sogar das gesamte Steuerungssystem als unfair empfinden und infolgedessen die Motivationswirkung noch stärker gedämpft wird – bis hin zu unerwünschter Fluktuation.

Lösungsansätze für eine unverzerrte Leistungsbeurteilung

Die genannten Probleme lassen sich jedoch lösen, wenn die subjektive Leistungsbewertung so gestaltet wird, dass Vorgesetzte Hilfestellungen für eine möglichst unverzerrte Leistungsbeurteilung erhalten. Auf Basis der Befunde aktueller verhaltensökonomischer Forschung können die folgenden konkreten Gestaltungsempfehlungen für die Praxis gegeben werden:

  • Visuelle Aufbereitung von Informationen. Gerade unbewusst verzerrte Beurteilungen entstehen, wenn die kognitiven Kapazitäten von Vorgesetzten durch eine große Anzahl von Kennzahlen und Beurteilungsgrößen überschritten werden. Denn gerade dann entsteht die Tendenz zur Verwendung einfacher Heuristiken. Dem lässt sich durch eine visuelle Aufbereitung von Informationen entgegenwirken. Die Aggregation von Informationen, etwa in Form von einer Balanced Scorecard, aber auch Zielerreichungsindikatoren oder Ampelsysteme sind dazu geeignet.
  • Training oder Feedback. Schulungen für Vorgesetzte oder der Einsatz von Feedback sensibilisieren für die Gefahr verzerrter Leistungsbeurteilungen. Gerade hier spielt die Begleitung durch den Controllerbereich als Business Partner nicht nur für die Entscheidungs- findung, sondern auch in Beurteilungsprozessen, eine wichtige Rolle.
  • Begründungspflicht. Es zeigt sich außerdem, dass die Notwendigkeit, Bewertungen zu begründen (Accountability) Verzerrungen in der subjektiven Leistungsbeurteilung reduziert. Dieser Zusammenhang kann auf unterschiedlichen Wegen genutzt werden: Angefangen dabei, dass Vorgesetzte ihre Evaluatio- nen schriftlich kurz begründen müssen, bis hin zum Einsatz von sogenannten Calibration Committees, in denen mehrere Manager ihre Leistungsbeurteilungen diskutieren und gegenseitig begutachten.

Fazit

Der Einsatz subjektiver Leistungsbeurteilungen bietet Chancen, aber auch Gefahren – insbesondere in Form verzerrter Bewertungen durch Vorgesetzte. Ein gutes Steuerungssystem umfasst deshalb auch Hilfsmittel, die diese unerwünschten Effekte adressieren und auffangen. Sie reichen von der visuellen Aufbereitung von Informationen, um die kognitive Belastung bei der Beurteilung zu reduzieren, über Trainings und Begleitung durch den Controllerbereich bis hin zur Begründungspflicht gegenüber dem eigenen Vorgesetzten oder im Rahmen von Calibration Committees.

Weiterführende Literatur

Bauch, K. A./Kotzian, P./Weißenberger, B. E. (2020): Likeability in subjective performance evaluations: does it bias managers’ weighting of performance measures? Forthcoming in: Journal of Business Economics. https://doi.org/10.1007/s11573-020-00976-0.

Bauch, K. A./Weißenberger, B. E. (2020): The Effects of Accountability on Likeability Bias in Subjective Performance Evaluations: An EyeTracking Study. Working Paper. Available at SSRN: https://ssrn.com/ab- stract=3646301.

Bol, J.C. (2008): Subjectivity in compensation contracting. In: Journal of Accounting Literature, Vol. 27, S. 1-32.

Cardinaels, E./van Veen-Dirks, P.M.G. (2010): Financial versus non-financial information: the impact of information organization and presentation in a Balanced Scorecard. in: Accounting, Organization ans Society, Vol. 35, Heft 6, S. 64-73.

Demeré, B. W./Sedatole, K. L./Woods, A. (2019): The role of calibration committees in subjective performance evaluation system. In: Management Science, Vol. 65, Heft. 4, S. 1562-1585.

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