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Belohnen oder Strafen: Wie lässt sich das CSR-Engagement in Unternehmen steigern? (07/2021)

Dr. Peter Kotzian

Executive Summary

Das Engagement für Corporate Social Responsibility (CSR) wird für Kunden, Anleger und die Gesellschaft insge- samt ein zunehmend wichtiges Kriterium für die Beurteilung von Unternehmen. Damit stellt sich ganz praktisch die Frage, wie dies zu erreichen ist. Im Prinzip kann die Gesellschaft Unternehmen für ihr CSR-Engagement belohnen oder für den Mangel daran sanktionieren. Entgegen der vorherrschenden Sichtweise ist es derzeit nicht die Aussicht auf die mit CSR-Engagement verbundenen Belohnungen, die Unternehmen motiviert, sondern ihre Furcht vor mit dem Nicht-Erfüllen der Erwartungen der Öffentlichkeit verbundenen Nachteilen. Allerdings bewirkt die vorherrschende einseitige Fokussierung der Öffentlichkeit auf Sanktionen für CSR-Versagen gerade nicht, dass das CSR-Engagement insgesamt ansteigt. Strafen bewirken zwar ein Aufholen der Nachzügler, aber ohne Belohnung stagniert das CSR-Engagement. Wenn eine Gesellschaft von den Unternehmen also mehr CSR-Engagement wünscht, sollte sie Unternehmen für dieses Engagement auch entsprechend belohnen, nicht nur für mangelndes oder ausbleibendes Engagement bestrafen.

Während noch in den 70er Jahren Milton Friedman postulieren konnte: „The social responsibility of business is to increase its profits“, ist das Engagement von Unternehmen im Bereich CSR heute ein wichtiges Bewertungskriterium, vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung von Unternehmen. Zwar ist das Einhalten von Gesetzen und anderen Vorschriften obligatorisch, die Anforderungen politischer wie gesellschaftlicher Akteure bezüglich des CSR-Engagements von Unternehmen gehen jedoch über die bloße Einhaltung von Gesetzen hinaus. Diese Sichtweise wird von der Forschung (Carroll 1999) wie auch der Politik geteilt – so z.B. seitens der EU Kommission in ihrer Mitteilung „Eine neue EU-Strategie für die soziale Verantwortung der Unternehmen“: Es geht nicht mehr (nur) um die Einhaltung rechtlicher Vorschriften, sondern um ein Hinausgehen über die gesetzlichen Vorgaben, welches das eigentliche CSR-Engagement erst ausmacht. Deutlich wird dies insbesondere in Fällen, in denen ein Unternehmen zwar alle rechtlichen Vorgaben, nicht aber die öffentlichen Erwartungen erfüllt. Eine einzelne unternehmerische Entscheidung, aber auch ein gesamtes Geschäftsmodell per se mag legal sein und kann dennoch in der öffentlichen Debatte für massive Kritik sorgen. Die erwartungsbasierte Forderung hinsichtlich dessen, was ein Unternehmen im Bereich CSR zu leisten hat, wird dadurch ergänzt, dass die Überwachung des CSR-Engagements nicht durch offizielle Stellen, sondern durch die Öffentlichkeit selbst erfolgt, insbesondere durch Aktivisten und NGOs (El Ghoul et al. 2019). Auch hierin unterscheidet sich CSR-Engagement vom Einhalten rechtlicher Vorschriften. Man kann also festhalten, dass CSR im Wesentlichen jenseits rechtlicher Vorgaben definiert und durch die Öffentlichkeit oder Teile von ihr überwacht und bewertet wird.

Treiber für unternehmerisches CSR-Engagement: Hoffnung auf Vorteile ...

Die Gründe, warum sich Unternehmen im Bereich CSR engagieren, werden in der Forschung intensiv diskutiert (für viele: Plewnia/Günther 2017). Die überwiegende Anzahl der Forschungsarbeiten vertritt die Sichtweise, dass Unternehmen dieses Engagement zeigen, weil sie sich konkrete Vorteile davon versprechen. Diese Vorteile reichen von einer besseren öffentlichen Reputation bei (potentiellen) Kunden und Geschäftspartnern über bessere finanzielle Performance bis hin zu einem besseren Zugang zu Mitarbeiternachwuchs. Gerade für jüngere Menschen („Generation Y und Z“) wird das Thema CSR zunehmend wichtig und zu einem Kriterium bei der Entscheidung für ein bestimmtes Unternehmen als Arbeitgeber. Diese Sicht geht dabei von Vorteilen aus, die über das reine Vermeiden von Problemen etwa in der Lieferkette oder konkrete Fälle von Umweltverschmutzung, hinausgehen. Unternehmen engagieren sich in dieser Sicht nicht nur, weil es letztlich teuer wäre, dies nicht zu tun, sondern weil damit konkrete Vorteile verbunden sind.

...oder doch eher die Furcht vor Strafe?

 

Die Sicht, dass CSR von den Unternehmen um der damit verbundenen Vorteile willen betrieben wird, wird in Teilen der Literatur kritisiert (z.B. Rost/Ehrmann 2017). Diese Kritik betrifft zunächst die Frage nach der tatsächlichen Existenz und der Größenordnung dieser Vorteile. Gerade bei der Beziehung zwischen finanzieller Performance eines Unternehmens und seinem CSR-Engagement wird immer wieder die Frage der Ursächlichkeit diskutiert: Ist es wirklich so, dass das CSR-Engagement eines Unternehmens für dessen bessere finanzielle Performance ursächlich ist oder kann sich ein Unternehmen mit hoher finanzieller Performance den Luxus eines hohen CSR-Engagements leisten, bei dem aber z.B. persönliche Präferenzen des Managements der eigentliche Grund für dieses Engagement sind (Cheng et al. 2013)?

Die Kritik kann aber auch noch fundamentaler formuliert werden, indem in den Blick genommen wird, dass es beim CSR-Engagement nicht um das Realisieren potentieller Vorteile, sondern doch eher um das Vermeiden potentieller Nachteile geht, die von der Öffentlichkeit auferlegt werden.

In der Tat lässt sich eine alternative Sicht auf die Motive der Unternehmen, sich im Bereich CSR zu engagieren, einerseits durch die anekdotische Evidenz, also Statements von Unternehmen über ihre Gründe (vgl. Dawkins/Lewis 2003), andererseits aber auch über die Behandlung von CSR-Engagement in den traditionellen und vor allem den Sozialen Medien begründen. In dieser Sicht engagieren sich Unternehmen im Bereich CSR, weil sie teilweise massive Nachteile befürchten, wenn sie dies nicht tun und ihr Mangel an CSR-Engagement, das Verfehlen der öffentlichen Erwartungen, offenkundig wird. Diese Nachteile erscheinen etwa in Form von massiven Kampagnen gegen ein Unternehmen und den damit einhergehenden Reputationsverlusten, die sich sehr schnell auch in finanziellen Verlusten niederschlagen.

Wie geht die Gesellschaft mit CSR-Engagement um – und was folgt daraus?

 

Auf Basis der widersprüchlichen Argumente stellen sich zwei Fragen, nämlich (1) Reagiert die Öffentlichkeit faktisch eher durch Belohnungen oder durch Strafen für (fehlendes) CSR-Engagement bzw. Nicht-Engagement?, und (2) Erreicht die Öffentlichkeit ihren Wunsch nach mehr CSR-Engagement eher durch Strafen oder eher durch Belohnungen? Durch eine Verhaltenssimulation wurde untersucht, wie sich Unterschiede im Umgang der Öffentlichkeit mit Unternehmen, die ihre Erwartungen an das CSR-Engagement (nicht) erfüllen, im CSR-Engagement einzelner Unternehmen, aber auch auf der Ebene aller Unternehmen insgesamt niederschlagen. Untersucht wurden dabei insbesondere zwei kontrastierende Situationen: (A) Die Öffentlichkeit belohnt die (Über-)Erfüllung ihrer Erwartungen hinsichtlich des CSR-Engagements, bestraft ein Nicht-Erfüllen der Erwartungen aber nicht, versus (B) Die Öffentlichkeit bestraft eine Nicht-Erfüllung ihrer Erwartungen hinsichtlich des CSR-Engagements, belohnt eine (Über-)Erfüllung aber nicht. Aus beiden Situationen folgen in der Si- mulation sehr unterschiedliche Entwicklungen.

Für Situation (A) gilt: Belohnt die Öffentlichkeit vor allem überdurchschnittliches CSR-Engagement ohne die (Nicht-)Erfüllung der Erwartungen zu bestrafen, so zeigt die Simulation, dass bestimmte Unternehmen ihr CSR-Engagement deutlich und stetig steigern, nämlich Unternehmen, für die CSR-Engagement mit geringen Kosten verbunden ist. Beispiele hierfür wären etwa Internetunternehmen ohne Produktion, Lieferketten, Vertrieb usw. Unternehmen, die CSR-Engagement nur mit hohen Kosten erreichen können, etwa Energieunternehmen oder die Stahlindustrie, behalten, so zeigt die Simulation, ihr niedriges Niveau an CSR-Engagement bei: Ohne Strafe besteht für sie kein Anreiz, etwas zu ändern. Die Simulation dieser Situation zeigt, dass das CSR-Engagement in der Gruppe aller Unternehmen im Mittel stetig ansteigt, dabei aber heterogener wird, da das CSR-Engagement von Firmen mit niedrigen und hohen Kosten für CSR-Engagement auseinanderdriftet.

In Situation (B) zeigt sich dagegen ein anderes Bild: Bestraft die Öffentlichkeit unterdurchschnittliches CSR-Engagement, während überdurchschnittliches CSR-Engagement von ihr kaum belohnt wird, zeigt die Simulation eine völlig andere Entwicklung: Unternehmen mit hohen Kosten für CSR-Engagement erhöhen dieses, da sie für das Nicht-Engagement ebenfalls hohe Kosten zu tragen haben, eben die Strafen. Sie erhöhen ihr Engagement allerdings nur solange, bis sie zum durchschnittlichen Engagement aller Unternehmen aufgeschlossen haben. Auf diesem Niveau haben sie keine weiteren Kosten durch öffentliche Sanktionen zu erwarten, da sie die öffentlichen Erwartungen ja erfüllen. Unternehmen, die initial aufgrund ihrer geringen Kosten für CSR mehr CSR-Engagement zeigten, haben von ihrem (Über-)Engagement keinen Vorteil, da die Öffentlichkeit ihr Engagement nicht honoriert. Sie belassen ihr CSR-Engagement daher unverändert. Das CSR-Engagement der Unternehmen insgesamt wird homogener, da die Firmen, die anfänglich unterdurchschnittliches CSR-Engagement zeigten, zum Durchschnitt aufschließen, der langfristig stagniert.

Was ist wichtiger?

Die erste Frage war, ob die Öffentlichkeit derzeit eher über Strafen oder eher über Belohnungen auf CSR-(Nicht)Engagement reagiert. Vergleicht man die von beiden Situationen implizierten Entwicklungen mit den tatsächlichen Entwicklungen des CSR-Engagements einzelner Unternehmen und der Unternehmen insgesamt, so sieht man z.B. für die USA sehr deutlich, dass die Furcht vor Strafe das dominante Motiv des CSR-Engagements von Unternehmen ist. Unternehmen, die initial sehr wenig CSR-Engagement zeigen, erhöhen dieses im Zeitverlauf sehr stark, ihr ursprünglich großer Abstand zum Hauptfeld der Unternehmen nimmt deutlich ab. Unternehmen, die initial sehr viel CSR-Engagement zeigten, erhöhen ihr Engagement hingegen mangels Belohnungen kaum. Ihr ursprünglich großer Abstand zum Hauptfeld der Unternehmen schrumpft, da das Hauptfeld im Zeitverlauf mehr CSR-Engagement zeigt und zu ihnen aufschließt. Dieses Muster entspricht einer simulierten Situation, in der die Öffentlichkeit straft, aber kaum belohnt. Der Umgang der Öffentlichkeit mit Unter- und Übererfüllung von CSR bezogenen Erwartungen ist dabei kulturabhängig und in der Tat finden sich für Europa und auch Kanada andere Muster, die eher für eine ausgewogene Mischung aus Strafen und Belohnungen sprechen.

Implikation: Am besten beides!

Die zweite Frage war, wie die Öffentlichkeit reagieren sollte, um Unternehmen zu mehr CSR-Engagement zu motivieren. Die vorgebrachten Überlegungen, wie auch die Entwicklung des CSR-Engagements von Unternehmen in verschiedenen Ländern zeigen, dass das CSR-Engagement von Unternehmen faktisch eher von der Furcht vor Strafe als von der Hoffnung auf Belohnungen motiviert ist. Konkret zeigt sich dies z.B. daran, dass Soziale Medien und Presse vorwiegend über Fälle berichten, in denen Unternehmen die öffentlichen Erwartungen an ihr CSR-Engagement nicht erfüllen. Dies ist für eine positive Entwicklung des CSR-Engagements kontraproduktiv. Sie setzt zwar starke Anreize, im Bereich CSR nicht negativ aufzufallen, aber kaum Anreize, sich im Bereich CSR positiv hervorzutun.

Für die langfristige Entwicklung des CSR-Engagements der Unternehmen als Gruppe ist zumindest eine ausgewogene öffentliche Reaktion auf CSR-Engagement notwendig, bei der die Öffentlichkeit eben auch tatsächlich CSR-Engagement belohnt, statt nur auf Nicht- bzw. Untererfüllung zu fokussieren.

Weiterführende Literatur

Carroll, A.B. (1999): Corporate social responsibility: evolution of a definitional construct. In: Business & Society, Vol. 38, Heft 3, S. 268-295.

Cheng, I.-H./Hong, H./Shue, K. (2013): Do managers do good with other people’s money? National Bureau of Economic Research. Working Paper 19432.

Dawkins, J./Lewis, S. (2003): CSR in stakeholder expectations: And their implication for company strategy. In: Journal of Business Ethics, Vol. 44, Heft 2/3, S. 185-193.

El Ghoul, S./Guedhami, O.,/Nash, R./Patel, A. (2019): New Evidence on the Role of the Media in Corporate Social Responsibility. In: Journal of Business Ethics, Vol. 154, Heft 4, S. 1051-1079.

Plewnia, F./Günther, E. (2017): The benefits of doing good: a meta-analysis of corporate philanthropy business outcomes and its implications for management control. In: Journal of Management Control, Vol. 28, Heft 3, S. 347–376.

Rost, K/Ehrmann, T. (2017): Reporting Biases in Empirical Management Research: The Example of Win-Win Corporate Social Responsibility. In: Business & Society, Vol. 56, Heft 6, S. 840-888.

Verantwortlichkeit: